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Piscator 1928

Spektakel in der Stresemannzeit

Zehntausende von Arbeitern kamen, sie gierten nach Piscators Bildern. Wie dort alles zusammenschoß, Geschichte und Gegenwart, Schaustück und Politik. Das hatte man so noch nie gesehen. Man schlug sich um die Plätze, der Saal war eng und stickig, die Lichter erloschen, im Publikum streiten sich zwei, lautstark – war das schon der Beginn? Als ein Bürger mit Zylinder hinzutritt, öffnet sich die Szene. Danach geht es Schlag auf Schlag. Filmsequenzen, Artistik, Parolen. Zigarettenstummelsammler treffen auf dicke Männer mit Taschenuhren, dazwischen Musik, ein feister Portier in glänzender Uniform setzt einen Kriegsinvaliden vor die Tür, dann wieder Chansons, Zeitungsausschnitte, Arbeiter demolieren eine Sektdiele, das Publikum feuert an, johlt. Was Brecht später die Niederlegung der vierten Wand nannte, hatte die rote Revue bereits vorgeführt. Sie zog die Zuschauer in den Bann und brach diesen zugleich. Das Theater verwandelte sich in den Ort einer politischen Versammlung.

Bis zum Regisseur der Volksbühne war Piscator in der Stresemannzeit aufgestiegen, trotz und wegen seiner Radikalität. Aus einem harmlosen Historiendrama über den Kampf der Hanse gegen Störtebeckers Seeräuber hatte der Avantgardist dort im Frühjahr 1927 ein Stück inszeniert, das bedrohlich in die Gegenwart hineinragte. Die Piraten der ………………………………………